Newsletter n. 3/22 – Saul und David

Die Bibel enthält in sich selbst hunderte bedeutender Geschichten, Archetypen und Metaphern anderer Lebensgeschichten, die in verschiedenen und fernen Zeiten und verschiedenen Orten gelebt wurden. Eines davon, das mich irgendwie besonders tief betrifft, ist das von Saul und David, das in den beiden Büchern Samuel (1 und 2) ziemlich detailliert erzählt wird. Ich fasse es zusammen.

Saul wurde gegen den Willen Samuels zum König von Israel gewählt und gesalbt (geweiht), aber vom ganzen Volk gesucht, weil er ein vorbildlicher Held und Krieger war. Für das theologische Israel ist es der Übergang von Jahwe, der Israel führt und rettet, durch die Richter (Gideon, Deborah, Samson usw.) zu einem menschlichen König – auch wenn er geweiht ist – politisch zentralisiert und stark, der das Volk wie alle anderen Völker fuehrt. Politisch ist es der Übergang vom Stammes- zum Staat Israel.

Am Anfang geht Saul von einem Sieg zum anderen, erweitert die Grenzen von Israel, organisiert es als Einheitsstaat, führt es in den Kriegen, die jährlich ausbrechen. Er ist ein charismatischer und siegreicher Anführer. Mit der Zeit fühlt er sich immer stärker und unabhängiger und beginnt dann, die Gebote, die Gott ihm durch den Propheten Samuel gibt, nicht mehr zu befolgen. Sein Ungehorsam wird immer stärker. Am Ende, trotz des Sieges über die Götzendiener Ammoniten und ihren König Agag, missachtet er ernsthaft, indem er sie nicht hinrichtet.

Damals war diese Sünde in Israel, Volk des einzigen Gottes, sehr schwerwiegend: sie verführte die Israeliten zum Götzendienst, indem sie den einzigen Gott aufgaben. Da Saul missachtet, stellt er sich an die Stelle Gottes, und das war absolut nicht erlaubt. Samuel erklärt ihn für gefallen. Er regiert weiter, aber er und seine Familie verlieren ihr irdischen und messianischen Erbe: der Messia wäre nicht aus seiner Abstammung gekommen. Samuel macht sich auf die Suche nach einem neuen König und findet ihn im letzten Sohn Jesse, gelbbraun und gutaussehend, aber sehr jung: er ist David. David macht sich bei Saul und dem ganzen Volk Israel bemerkbar indem er Goliath mit einem einzigen Stein und einer Schleuder toetet. So betritt er den Hof von König Saul und wird mit dem Alter ein tapferer Soldat und Anführer bewaffneter Gruppen. In Saul aber loest sich die Eifersucht, ein schreckliches Laster, das Krankheit wird, bis sie ihn, zum Versuch David zu töten, beibringt. Dieser flieht vor Gericht und taucht mit anderen ihm treu ergebenen Soldaten unter. Saul weiß sehr gut, dass es das Gefahr sein Königreich zu verlieren gibt, solange David lebt. Also geht er ihm nach. Zweimal hat David die Möglichkeit, Saul zu töten, aber selbst gegen seinen eigenen Rat tut er es nicht; nur weist er König Saul und seine gesamte Armee darauf hin.

David und seine Soldaten werden zu einer Art Söldner, die darauf warten, dass Saul seine Meinung ändert. Schließlich ist Saul immer mehr allein. Kurz vor der letzten Schlacht geht er heimlich zu der Hexe von Endor und lässt sie den Geist von Samuel beschwören, um ihn zu fragen, was er tun soll: Samuel kann nach heftigen Klagen nur sein nächstes Ende vorhersagen. In den Schriften von Maria Valtorta gibt es keine expliziten Kommentare zu dieser Geschichte, aber im Evangelium, im Gespräch mit verschiedenen Menschen – Aposteln, Jüngern, Freunden und Feinden – gibt es einige erklärende Worte, die für die Israeliten ihrer Zeit und für uns verständlich sind. Jesus kommentiert: “Samuel sagte, als er erschien: Warum hast du mich gestört, indem du mich gerufen hast? Warum befragst du mich, nachdem der Herr sich von dir zurückgezogen hat? Der Herr wird dich so behandeln, wie ich es dir gesagt habe … weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht hast”.

“Sohn, reiche nicht das Hand nach der verbotenen Frucht. Schon die Annäherung ist unklug. Sei  nicht neugierig, das Reich im Jenseits zu kennen, aus Angst, dass du das satanische Gift nicht lernst. Fliehe vor dem Okkult und dem, was nicht erklärbar ist. Nur eins muss mit heiligem Glauben angenommen werden: Gott. Aber was Gott nicht ist und was nicht mit den Kräften der Vernunft erklärt werden kann und mit den Kräften des Menschen geschaffen werden kann, fliehe davor, fliehe davor, damit dir die Quellen der Bosheit sich nicht oeffnen und du nicht verstehst, dass du ‘nackt’ bist. Nackt: Abstoßend in der Menschheit gemischt mit Satanismus. Warum willst du mit dunklen Wundern überraschen? Staune mit deiner Heiligkeit und lass sie erstrahlen wie etwas, das von Gott kommt. Habe nicht den Wunsch, die Schleier zu zerreißen, die die Lebenden von den Verstorbenen trennen. Störe die Verstorbenen nicht. Höre sie zu, wenn sie weise sind, während sie auf der Erde sind, verehre sie, indem du ihr sogar nach dem Tod gehorchst. Aber störe ihr zweites Leben nicht. Wer der Stimme des Herrn nicht gehorcht, verliert den Herrn. Und der Herr hat Okkultismus, Nekromantie, Satanismus in all seinen Formen verboten. Was möchtest du mehr wissen, als was das Wort dir schon sagt? Was willst du mehr tun, als deine Güte und meine Macht es dir zu operieren erlauben? Sei nicht hungrig nach Sünde, sondern nach Heiligkeit, Sohn”. (Ev3 S. 219)

Die Geschichte Saul und David geht weiter. Am nächsten Tag kommt es in Gelboe zu einer Schlacht: Israel wird besiegt und Saul begeht Selbstmord, indem er von einem seiner Soldaten toedlich getroffen wird. Drei Tage später erfährt David davon, doch statt den Sieg für die Befreiung von seinem Verfolger zu singen, weint er, macht eine Totenklage und komponiert ein legendär gewordenes Lied. Es beginnt so: “O Berge von Gelboe, kein Tau oder Regen mehr auf euch, keine Felder mit Erstlingsfrüchten, denn hier wurde der Schild der Helden erniedrigt, der Schild Sauls, gesalbt nicht mit Öl, sondern mit dem Blut der durchbohrt, mit dem Fett der Helden” (2 Sam 1,21-22).

Jesus kommentiert weiter: “Sauls Sünde war nur eine seiner Sünden. Viele anderen folgten und gingen ihr voraus. Alle sehr ernst. Doppelte Undankbarkeit gegenüber Samuel, der ihn zum König salbt und dann verschwindet, um die Bewunderung des Volkes nicht mit dem König zu teilen. Mehrfach undankbar gegenüber David, der ihn von Goliath befreit, der ihn in der Höhle von Engaddi und Achila verschont. Schuldig des mehrfachen Ungehorsams und des Skandals unter den Menschen. Schuldig, Samuel, seinen Wohltäter, durch mangelnde Nächstenliebe betrübt zu haben. Schuldig der Eifersucht und der Angriffe auf David, seinen anderen Wohltäter, und schließlich des Verbrechens, das hier [Höhle der Zauberin von Endor] begangen wurde” (Ev3 S. 217). Zu all dem müssen wir dann den letzten Selbstmordakt hinzufügen: Saulus beendet sein Leben und seine Herrschaft auf ähnliche Weise wie Judas Iskariot. Beide – Saulus und Judas – nehmen Gottes Vergebung nicht einmal an, sie bestrafen sich selbst, aber sie bereuen nicht vor dem Herrn.

Die Metapher ist nicht nutzlos. Es erinnert uns an die offensichtliche, aber nicht triviale oder oberflächliche Tatsache, Saul unter keinen Umständen im Leben nachzuahmen. Der Himmel schlägt uns durch Maria Valtorta vor, stattdessen David zu folgen, der trotz der begangenen Sünden, kleine und große – und tatsächlich auch sehr große – hört nie auf, den einen Herrn demütig um Vergebung zu bitten.